Dienstag, 30. Oktober 2012

Neukölln ist überall? Das Missverständnis von Heinz Buschkowsky


Das Buch von Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky "Neukölln ist überall" wirbelt derzeit viel Staub auf in der Republik. In seinem Buch schreibt er über gescheiterte Integrationspolitik und Jugendkriminalität. Buschkowsky tingelt damit durch die Talksendungen des Landes und versteht nicht, weshalb er - seit über einer Dekade in politischer Verantwortung für seinen Bezirk - für sein Buch angegriffen wird. Wir sprachen mit Bernd Kessinger, Autor eines Neukölln-Buches, das die Geschichte des Bezirks beleuchtet und die gängigen Klischees dabei bewusst aus dem Weg räumen wollte:

Neukölln ist wieder in aller Munde. Der Bucherfolg von Bezirksbürgermeister Buschkowsky hat dazu maßgeblich beigetragen. Wann glauben Sie ist die nächste Namensumbenennung des Bezirks fällig?

1912 wurde die damals noch eigenständige Großstadt Rixdorf in Neukölln umbenannt, aus dem gleichen Grund, der auch heute wieder beklagt wird: Das schlechte Image. Damals haftete dem Ort der Ruch einer zutiefst proletarischen, heruntergekommenen Gegend an, daneben war Rixdorf für sein bierseliges Massenamüsement für die unteren Volksschichten weit über Berlin hinaus bekannt. Auch der Ruf als „rote“ Hochburg bereitete der kleinen bürgerlichen Elite Kopfschmerzen.
Natürlich löste die Namenskosmetik nicht die zugrundeliegenden sozialen Probleme. Dafür zog Rixdorf-Neukölln den Spott und die Häme der Karikaturisten des gesamten deutschen Reiches auf sich. 
Die Erfahrungen mit der Umbenennung waren insgesamt nicht sehr positiv. Ich denke also, dass uns eine Wiederholung nicht bevorsteht.

Buschkowsky beklagt ein fehlendes Heimatgefühl in Neukölln. Was kann er damit meinen?

Heimat ist ja ein schwieriger Begriff. Es stimmt natürlich, dass der rasante Zustrom vorwiegend muslimischer Migranten nach 1989 den Charakter Neuköllns schwerwiegend verändert hat. Dass da Teile der einheimischen Bevölkerung die Welt nicht mehr verstanden, finde ich durchaus nachvollziehbar. Dennoch hantiert Buschkowsky mit einem sehr altbackenen, fast schon deutschtümelnden Heimatbegriff, der völlig ausblendet, dass Neukölln für den Großteil der Zugewanderten inzwischen auch zur Heimat geworden ist. So eine eingeschränkte Sichtweise steht ihm als Bürgermeister, der ja alle Einwohnerinnen und Einwohner vertreten soll, nicht gerade gut zu Gesicht. Zudem zeigt sich in der Person Buschkowsky der gravierende Unterschied zwischen dem  größtenteils vorstädtischen Süden und dem urbanen Norden des Bezirks. Er – der geborene Südneuköllner – verkörpert ja geradezu den provinziellen Kleinbürger. Sich darüber zu beklagen, dass man in Neukölln kaum noch eine Currywurst findet, erinnert schon stark an eine volkstümliche Traditionspflege á la Bayern.

Ist Buschkowskys mediales Neukölln-Bashing eigentlich ein neues Phänomen?

Überhaupt nicht. Um 1900, dann, zur Zeit der Revolution 1918/19, aber auch danach war Rixdorf-Neukölln immer wieder Zielscheibe medialer Skandalisierungen. „Ausländer“ brauchte es dazu nie.

Was war Ihnen in Ihrem Buch denn wichtig über Neukölln zu sagen?

Ein wichtiges Anliegen war es mir, die lokale Kontinuität sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung sichtbar zu machen. Dazu gehört natürlich auch deren Wiederhall in der Presse. In einer Zeit, in der die Ethnisierung sozialer Konflikte Konjunktur hat, kann so ein Blick in die Vergangenheit manches relativieren. Zudem hat Neukölln in seiner Geschichte einiges mehr zu bieten, was unser Interesse verdient, als unter den beiden Polen „Problemviertel“ und „Szenekiez“ Platz findet.





Mittwoch, 10. Oktober 2012

"Stoppt die Bildungskatastrophe" - Autoren des Vergangenheitsverlags gehen auf die Straße

Als vor einigen Wochen der Sammelband "Was bildet ihr uns ein? Eine Generation fordert die Bildungsrevolution" erschien, ahnte kaum jemand, dass dieser Titel innerhalb weniger Wochen ausverkauft sein würde. Der Verlag musste bald nachdrucken. Die Herausgeber, Bettina Malter und Ali Hotait, haben mit ihrem Titel einen Nerv getroffen. "Was bildet ihr uns ein?" war aber nicht nur ein Buchprojekt. Herausgeber und Autoren wollen mehr und bringen sich in die politische Debatte ein. Kommenden Samstag findet eine Demo statt, die Malter und Hotait initiiert haben.

Im Aufruf zur Demo heißt es:

"Am 13.10. ist der Internationale Tag der Katastrophenvorbeugung und den Tag wollen wir nutzen, um auf die Hürden des deutschen Bildungssystems aufmerksam zu machen. Wir brauchen dringend Veränderungen, denn derzeit werden zu viele Menschen ihrer Chancen beraubt. Daher fordern wir mehr als Reformen, wir fordern die Bildungsrevolution!

Daher laden wir euch unter dem Motto "Stoppt die Bildungskatastrophe" an dem Tag zu einer Demo auf dem Pariser Platz ein, um zu zeigen, dass wir nicht einverstanden sind, wie

Bildung derzeit in Deutschland gestaltet wird. Wir bauen dort einen kleinen Bildungs-Hürdenlauf zum Mitmachen auf. Ab 11 Uhr geht es los.

Außerdem findet ihr groß ausgedruckt den Brief, den wir an diesem Tag an alle Bundes- und Landtagsabgeordneten schicken. Ziel ist es, mit ihnen in einen Dialog zu treten, bei dem die junge Generation angehört wird und ihre Probleme und Ideen schildern kann. Um 12 Uhr werden wir diesen verlesen. Also kommt zahlreich (:

Wann? 13. Oktober von 11 bis 14 Uhr
Wo? Pariser Platz, Berlin
Twitter: Ihr könnt uns über #stoppbk12 folgen (Wasbildetihrunsein @ BildungsRevolte ist unser Account)

Wir sind junge Leute, Schüler, Auszubildende, Studierende, Promovierende, die unter der Bewegung "Was bildet ihr uns ein?" auf Hürden im Bildungssystem aufmerksam machen, Hürden, die wir meist selbst erlebt haben. Wir sind parteiübergreifend und bei Fragen erreicht ihr uns unter bildungsrevolution@gmail.com"

Näheres zur Kritik und den Forderungen auf:
http://wasbildetihrunsein.de/worum-es-geht/