Montag, 19. April 2010

Der Beginn einer neuen Eiszeit? - Eine kleine Geschichte der Vulkanausbrüche


(Berlin, 19. April 2010) Chaos auf den Flughäfen, erzürnte Fluggesellschaften, Ungewissheit bei Millionen Urlaubern – der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull unter dem gerade mal fünftgrößten Gletscher Islands hebelt den modernen Reiseverkehr aus wie kein anderes Ereignis zuvor. In nachchristlicher Zeit war er bis 2010 nur drei Mal aktiv – in den Jahren 920, 1612/13 und 1821-23 – und ist damit ein eher ruhiger Zeitgenosse unter den Vulkanen.

Ganz andere Namen kommen uns in den Sinn, wenn wir über diese großen Naturkatastrophen nachdenken. Auf der griechischen Insel Santorin führte um 1.500 v. Chr. ein Vulkanausbruch zu einer riesigen Flutwelle – die Sage von Atlantis entstand. Der berühmte Vesuv zerstörte am 24. August 79 n. Chr. nicht nur Pompeji, sondern auch die Städte Herculaneum und Stabiä mit ca. 2.000 Opfern. Beim Ausbruch des Ätna 1169 starben rund 15.000 Menschen. Beide Vulkane sind bis heute regelmäßig aktiv. Vergleichsweise harmlos wirkt das jedoch zu den Ausbrüchen, die vor allem Indonesien regelmäßig heimsuchen. Fast 100.000 Menschen starben so 1815 beim Ausbruch des Tambora vor allem durch nachfolgende Aschewolken sowie Erdbeben und Flutwellen. Die Sonneneinstrahlung war so sehr beeinträchtigt, dass der Sommer 1816 auch in Amerika und Europa ausfällt.

Ähnliches befürchten Vulkanlaien auch jetzt weltweit. Gigantische Aschemassen steigen seit dem 14. April bis zu 11 Kilometer in die Luft auf. Wann der Ausbruch ein Ende hat, kann niemand voraussagen – über fast zwei Jahre zog sich der letzte, harmlosere Ausbruch Eyjafjallajökulls im 19. Jahrhundert. Auch mögliche, vor allem gesundheitliche Folgen der Eruption können laut Spiegel Online erst gemacht werden, wenn die genaue Zusammensetzung der Aschewolken analysiert ist. Ein Großteil der Teilchen gelange jedoch sowieso nicht bis zum Boden – eine erhöhte Feinstaubkonzentration wurde aktuell in Deutschland noch nicht gemessen. Sollte der isländische Vulkan noch einige Wochen akut explosiv bleiben, könnte sich das Wetter zumindest in Nordeuropa in den nächsten Wochen um einige Zehntelgrad abkühlen. Erst wenn Eyjafjallajökull Nachbarvulkane zum Ausbruch stimuliert, könnte es einen ähnlichen Sommer wie 1816 geben.

Montag, 12. April 2010

Ich würde alles vergessen, aber vergessen kann ich nicht…


OST-Arbeiter – Aufführung im Berliner Dokumentartheater

(Berlin, 12. April 2010) „Ich war vierzehn, als meine Mama dem Zug hinterherlief, weinend, schreiend, begreifend, dass ich nach Deutschland abgeholt wurde, und sie Angst hatte, mich nie wieder zu sehen“ – Worte des ehemaligen Zwangsarbeiters Leonid Sitko aus dem Theaterstück „OST-Arbeiter“, das seit März im Berliner Dokumentartheater aufgeführt wird. Das Besondere an dieser Produktion: sie wird in den Bunkeranlagen in Zusammenarbeit mit dem Berliner Unterwelten e.V. am Blochplatz aufgeführt. Für die Zuschauer bedeutet dies ein Sprung von der Gegenwart in die Vergangenheit, in den Bunkern sind sie mitten im Geschehen.

Neben der Biographie Leonid Sitkos erzählt das Stück vom Leben der Ukrainerin Soja Kriwitsch. Stellvertretend stehen diese beiden wahren Geschichten für 2,5 Millionen Menschen, die im Zweiten Weltkrieg zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert wurden. Bilder von einigen dieser namenlosen Menschen hängen eindrucksvoll an den Wänden des Theaters. Soundcollagen und die Räume und Gänge des Bunkers sind beeindruckende und erdrückende Kulisse zugleich.

2003 entwickelte sich dieses Stück aus einer Spendenaktion für ehemalige Zwangsarbeiter. Die Resonanz war so groß, dass das Stück unter dem Titel OST-ARBEITER weiter aufgeführt wurde – seitdem spielt das Dokumentartheater Berlin gegen das Vergessen an.

Vorstellungen:
März bis Oktober 2010, jeweils am 3. Freitag im Monat, 20 Uhr.
Bunker A (Blochplatz), Bad-/Ecke Hochstraße, 13357 Berlin,
Kartenreservierung erforderlich: 030-49910517, www.dokumentartheater.de.

Sonntag, 11. April 2010

Totenbuch des KZ Buchenwald nun online

Weimar - Die Namen und Daten von rund 38 000 Toten des Konzentrationslagers Buchenwald können ab sofort im Internet eingesehen werden. Das digitale Totenbuch sei den Opfer und ihren Angehörigen gewidmet, teilte ein Sprecher der Gedenkstätte Buchenwald am Samstag mit.

Jeder der darin aufgeführten Menschen erhalte so eine virtuelle Gedenktafel. Angehörige könnten der Gedenkstätte weitere Informationen zukommen lassen und damit die Gedenktafel ergänzen. Für das Totenbuch seien mehr als zehn Jahre lang gut 500 000 Dokumente gesichtet und ausgewertet worden. Es soll in den kommenden Wochen neben Deutsch auch in anderen Sprachen im Internet erscheinen.

Am Sonntag jährt sich die Befreiung des NS-Konzentrationslagers zum 65. Mal.
Das Totenbuch kann unter folgendem Link aufgerufen werden: http://www.buchenwald.de/totenbuch

Dienstag, 6. April 2010

Zwischen Pest und Sparzwang – 300 Jahre Charité in Berlin


(Berlin, 30. März 2010) „Geschichte ist nie zu Ende“, davon ist der Direktor des Berliner Medizinhistorischen Museums, Prof. Dr. Thomas Schnalke, überzeugt. Aber Geschichte hat einen Beginn und dieser Beginn liegt für die Charité mittlerweile 300 Jahre zurück. Gegründet als Quarantänestation für Pestkranke im Jahr 1709 entwickelte sich die Charité zu dem zukunftsgerichteten, modernen Universi-tätsklinikum, das sie heute ist. Der exzellente Ruf der Charité, sowohl in der Patientenversorgung, als auch in Forschung und Lehre, hat sich in den vergangenen Jahrhunderten langsam, aber sicher weit über die Grenzen Deutschlands hinaus verbreitet. Auch zu DDR-Zeiten wurde hier Spitzenforschung betrieben. So ist es nicht verwunderlich, dass sich medizinische Koryphäen weltweit vehement für den Erhalt der Charité einsetzten, als die Klinik im Zuge der Umstrukturierungsmaßnahmen nach der Wende 1989 geschlossen werden sollte.
Um das Jubiläum angemessen zu feiern, aber auch zur Erinnerung an die wechselhafte Geschichte der Charité, wurde am 25. März 2010 die Sonderausstellung „Charité. 300 Jahre Medizin in Berlin“ eröffnet. Die Kuratorin der Ausstellung, Isabel Atzel, hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte der Charité in allen ihren Facetten zu beleuchten. Dazu gehören, so Atzel, „glückliche Entdeckungen, zündende Ideen, aber auch Ab- und Irrwege“ in der Geschichte des Hauses. So fehlte in den Vorträgen im Rahmen der feierlichen Eröffnung auch nicht der Hinweis, dass nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten nicht ein einziges Mitglied des Kollegiums seine Stimme gegen die Vertreibung der jüdischen Ärzte und Schwestern aus Forschung, Lehre und Praxis erhob. Der Focus der Ausstellung liegt nicht hauptsächlich auf den Ab- und Irrwegen des berühmten Hauses; diese werden jedoch nicht verschwiegen. Eine Ausstellung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die 300jährige Geschichte der Charité zu beleuchten, darf wenig ruhmreiche Epochen nicht verschweigen, aber auf sie auch nicht das Hauptaugenmerk des Betrachters lenken.
Auch acht Nobelpreisträger, die an der Charité ihren wissenschaftlichen Weg begannen, werden in der Ausstellung gewürdigt, darunter z. B. Robert Koch oder Emil von Behring. Neben berühmten Mitarbeitern des Klinikums verfolgt die Ausstellung den Wandel von Krankheitsbildern und zeigt Arbeitsgeräte von Ärzten im Verlauf von 300 Jahren. Mit Hilfe von beleuchteten Informationstafeln wird die klinische Praxis an der Charité unserer Zeit dargestellt – einer Zeit, in der über die Kooperation der Charité mit den Vivantes Kliniken verhandelt wird und in der „wissenschaftliche Revolutionen, aufgrund ihrer Häufigkeit, schon beinahe Normalität sind“, wie Prof. Dr. Jürgen E. Zöllner (Senator für Wissenschaft und Forschung in Berlin), betont.

Die Ausstellung ist bis zum 27. März 2011 im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité zu sehen: Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Tel. 030/ 450 536 156, www.bmm.charite.de, Öffnungszeiten Di-So 10-17 Uhr, Mi+Sa 10-19Uhr.

Martina Lehnigk