Dienstag, 26. Januar 2010

„Ich ging im Walde so vor mich hin…“ - Eine kleine Kulturgeschichte des Waldes


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„Ich ging im Walde / So vor mich hin, / Und nichts zu suchen, / Das war mein Sinn.“
(Berlin, 26.01.10) Um 1800 dichtete Johann Wolfgang von Goethe diese Zeilen und so ist auch heute noch, wenn Spaziergänger die klare Waldluft atmen und ihre Gedanken schweifen lassen. Wann waren Sie das letzte Mal im Wald? Die Deutschen sind ein Volk von Waldfans und begeisterten Wanderern, wenn man Historikern, Ethnologen und Freizeitforschern Glauben schenken mag. Die Sehnsucht nach dem Wald ist die Sehnsucht von Herkunft und Heimat.
Erst zwischen dem 9. und 7. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung konnte der Wald nach Rückzug der Gletscher überhaupt entstehen. Und kaum war er da, machten ihn die Menschen sich schon Untertan. Er wurde gerodet, verbrannt, musste im wahrsten Sinne des Wortes das Feld räumen. Spätestens in der Eisenzeit wird der Wald zur Kulturlandschaft.
Wir verdanken ihm viel – Nahrung und Heimat, unsere Anfänge als Germanen, mit Herrmann dem Cherusker, dem ersten germanischen Helden im Wald. Märchen und Mythen ranken sich um den Wald – Hänsel und Gretel sind nicht die Einzigen, die sich im dunklen Dickicht fürchteten. Aber der Wald ist Menschenwerk und viel mehr Kulturraum als Natur – sonst hätte er nicht überleben können. Ein Ur-Wald ist schon seit Menschengedenken in Deutschland nur noch Illusion.
Im Mittelalter wird der Wald vom Allgemeingut zum Adelsbesitz – und ist fortan für Jahrhunderte Schauplatz für Konflikte zwischen Herrschern und Untertanen. Die Deutschen haben ihre politischen und nationalen Träume und Konflikte immer wieder mit dem Wald verbunden: Der Wald und wir, das ist eine Art Schicksalsgemeinschaft. Und auch deshalb existiert neben dem lieblichen malerischen Waldbild auch das andere, das des schaurigen, gefährlichen Waldes – Schillers Räuberwald ebenso wie die romantischen Malereien des 19. Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte der Wald wieder ein friedlicher, beschaulicher Ort werden: Die erfolgreichsten deutschen Filme Anfang der 50er Jahre heißen „Schwarzwaldmädel“ oder „Grün ist die Heide“.
Doch wie steht es um die Zukunft des Waldes? In den 1980er Jahren sah es so aus, als hätte der Wald keine Zukunft mehr. „Waldsterben“ war das erschreckende Schlagwort – und ein deutsches Phänomen, das im Ausland sofort mit dem innigen Verhältnis der Deutschen zu ihrem Wald in Verbindung gebracht wurde. Tatsächlich ist der Wald in immer schlechterem Zustand: Waren 1984 immerhin noch 44 Prozent des Baumbestandes gesund, sind es 2006 noch 32 Prozent. Immer mehr Nationalparks und Naturschutzgebiete entstehen daher, in denen möglichst nicht von menschlicher Hand in den natürlichen Wachstumsprozess eingegriffen wird. Im nordhessischen Nationalpark Kellerwald-Edersee entsteht gerade die Wildnis von morgen – kein Förster, kein Landschaftsgärtner legt hier Hand an den Wald. Und in paar Jahrhunderten wäre er fertig, der erste deutsche Ur-Wald.
Mehr zu Geschichte des Waldes erfahren Sie in dem Taschenbuch „Im Wald, da sind die Räuber“ von Viktoria Urmersbach.

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